Die
Firma Welding Experts befindet sich in Lauffen, das liegt in Baden
Württemberg in der Nähe von Heilbronn. Zu einer absolut unmenschlichen
Nachtzeit mache ich mich auf den knapp 130km langen Weg mit meinem Discovery
und dem Range Rover auf dem Anhänger. Zu allem Überfluss hat sich das Wetter
mal wieder für die Variante "Dauerregen, verschärft" entschieden. Und so was
nennt sich August. Nur notdürftig habe ich das größtenteils gestrippte
Rangeskelett mit einer Plane geschützt. Von den möglichen Anfahrtsvarianten
entscheide ich mich für die Ausfahrt Sinsheim, mit der Folge dass ich mit
dem mehr als üppig dimensionierten Leihhänger über kleine Nebensträßchen
gondeln darf, was an Engstellen dem ein oder anderen entgegenkommenden
Autofahrer so früh am Morgen wohl die Schweißperlen auf die Stirn treiben
dürfte. Mir fällt wieder der Spruch meines LKW-Fahrlehrers ein der bei
solchen Gelegenheiten immer sagte "Du wirst ja wohl nicht für einen PKW
Platz machen wollen???", und ich tröste mich damit, dass mir auf diesem Weg
wenigstens die Fahrt durch Heilbronn erspart bleibt.
Der Regen lässt
etwas nach, und ich erreiche das Industriegebiet. Bereits einige Wochen
vorher hatte ich mit Stefan einen Behandlungstermin für den Range (Schweller
austauschen komplett) und den Disco (Laderaumboden, Reparaturblech)
vereinbart. An diesem Wochenende ist es endlich soweit. Die Halle liegt
etwas versteckt in zweiter Reihe, erst als ich quasi schon an der Einfahrt
vorbei bin sehe ich die Aufreihung von Geländewagen weiter hinten auf dem
Areal. Naja, drehe ich eben noch eine Runde. Die Runde wird größer als
geplant, bis ich mit meinem Gespann endlich wieder dorthin zurück komme wo
ich hin will.
Eine Viertelstunde vorher hatte ich mit Stefan telefoniert
und meine Ankunft avisiert. Daher weiß ich dass er demnächst ebenfalls
eintrudeln wird und was zum Frühstücken mitbringt. Mit diesem beruhigenden
Wissen schaue ich mich auf dem Gelände um. Diverse Range Rover stehen sich
die Reifen platt, allesamt schon etwas mitgenommen. Am interessantesten für
mich ist natürlich ein 74er Modell in Bahama Gold. Oder ist es Sahara Dust?
Jedenfalls lassen sich daran die typischen Problembereiche der
Range-Karrosserie studieren. Der Kandidat hat eindeutig schon bessere Tage
gesehen. Aus meinen gedanklichen Abschweifungen über verarmten Landadel und
abgewetzte Maßanzüge werde ich erst gerissen, als ich das unvergleichliche
Blubbern eines Rover V8 wahrnehme, das schnell näher kommt. Dr. Kreutschmann
auf dem Weg in die Klinik.
Bei einem
improvisierten Kaffee erzählt mir Stefan von seiner Zeit als Fotograf und
als Schweißausbilder bei Audi. Die Zertifizierungen als Schweißlehrer
entsprechen etwa 54 Schweisserprüfungen. Sein erster Land Rover war ein
Range Rover 3.5efi, gefolgt von einem 1989er(!) Discovery. Das ist insofern
bemerkenswert, als die Vorstellung des Discos erst im September 89 erfolgte.
Daimler Benz hatte sich seinerzeit eines der ersten verfügbaren Exemplare
gesichert, und wahrscheinlich recht genau begutachtet. Schließlich war der
200 TDI der erste Direkteinspritzer auf dem "PKW"-Markt in Deutschland, noch
vor dem Durchbruch dieser Technik dank Audi. Über einige Zwischenstationen
kam das Fahrzeug dann zu ihm, und hin und wieder erinnert er sich wehmütig
an das unschlagbare Verbrauchs/Performance Verhältnis.
Zehn Jahre ist es jetzt her, dass er erstmalig für die Firma
„Scout Logic“ (damals Partner der Paris-Dakar) FIA konforme Überrollkäfige
für deren MAN LKWs produzierte. Unter der Bezeichnung „Welding Experts“ hat
er seitdem unzählige Überrollbügel und Käfige für Teilnehmer der Dakar,
Tuareg, El Chott, Breslau etc. gebaut. Schnell wurden die ursprünglichen
Räumlichkeiten zu eng, und er verlegte seine Aktivitäten hier nach Lauffen
wo er sich eine weitläufige Halle mit Uwe Morawietz und Thomas Gotsch teilt.
Die Drei bilden ein effektives Firmennetzwerk: während Stefan der Spezialist
für jedwede Form von Metallbearbeitung mit dem Schwerpunkt "Custom made
Offroad Parts" ist, liegt das Interesse von Thomas vor allem auf den
Seriefahrzeugen und der Restauration derselben. Uwe wiederum betreibt mit
"Memo Fahrzeugteile" einen Handel mit neuen und gebrauchten Ersatzteilen
sowie Fahrzeugen. Auch seine ganze Liebe gilt dem Range Rover, und nach 15
Jahren Schrauberfahrung mit diesem Modell und vierfachem Gewinn der
süddeutschen Trial Meisterschaft kennt er wirklich blind jede Einzelheit am
Range, wovon ich mich später an diesem Tag noch mehrfach überzeugen kann.
Nach und nach wurde
die Leistungspalette von Welding Experts immer mehr erweitert und umfasst
inzwischen auch Reserveradhalter, Dachträger, Stauboxen,
Schwellerschutzrohre, Zusatztanks etc.. Im Grunde genommen kann fast jeder
Kundenwunsch realisiert werden, der mit Metall machbar ist. Da die Aufträge
überhand nahmen, beschäftigt Stefan seit kurzem zwei frei Mitarbeiter und
ist schon wieder auf der Suche nach einem Standort mit mehr Platz.
In der Halle selbst sieht es aus wie fast überall wo eben
viel gearbeitet wird. Kein keimfreier Operationssaal, aber auch nicht völlig
chaotisch. Für jemanden wie mich, der der Marke Land Rover und hier vor
allem den Modellen mit 100 Zoll Radstand verfallen ist, tut sich jedenfalls
ein kleines Paradies auf. Mehrere Range Rover, ein Serie 1, ein sehr schöner
IIa etc. gibt es zu entdecken, aber auch jede Menge V8 Motoren, Getriebe,
Achsen und Blechteile.
Wir beschließen in
Anbetracht des knappen Zeitplans, mit der Transplantation des Laderaumbodens
am Disco zu beginnen, und ich fahre auf die Bühne, während Stefan das
Werkzeug vorbereitet. Nun kommt aber erstmal Besuch, und so verzögert sich
der Arbeitsbeginn merklich. Irgendwann ist es dann aber endlich soweit, und
die Flex hat das Wort, unterbrochen vom Auffräsen der Schweisspunkte.
Schnell zeigt sich, dass der Rost auf der rechten Seite doch weiter
vorangeschritten ist als es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Wir
sind gezwungen umzudisponieren und über Uwe ein weiteres Reparaturblech zu
ordern. Damit ist mein Plan, am Sonntag wieder mit beiden Autos heimzufahren
eh hinfällig, also haben wir alle Zeit der Welt für den Range. Dies ist auch
nötig, denn an diesem Samstag scheint sich die halbe Roverszene bei Welding
Experts zum Treffen verabredet zu haben, was den Arbeitsfluss doch manchmal
arg ins Stocken bringt. Aber Stefan wäre nicht Stefan, hätte er nicht für
jeden einen Kaffee und in paar Minuten Zeit übrig.
So wird es
Nachmittag, bis nach genauer Vermessung der Säulenabstände und Demontage des
Mitteltunnels die ersten präzise geführten Schnitte an den alten Schwellern
ausgeführt werden. Es bleiben nicht die letzten, denn bei einer früheren
Reparatur hat es ein Schweizer offensichtlich besonders gut gemeint und mehr
als ordentlich gearbeitet. Hätte er sich damals nicht den Hohlraumschutz
gespart, so wäre wahrscheinlich die nächsten 10-20 Jahre keine Maßnahme
nötig gewesen.
Meine beiden Autos weiß ich jetzt jedenfalls in
professionellen Händen, und so lasse ich mich guten Gewissens wenig später
abholen, denn schließlich muß ich am Montag morgen den gemieteten
Auto-Hänger wieder abgeben. Auf der Rückfahrt im strömenden Regen fällt mir
der neue Titel für Stefan ein, den er redlich verdient hat:
„Schönschweißchirurg" |