Berichte - Reise - Tagliamento

Ein paar Tage im Tagliamento (August 2003)
Oft hatten wir schon davon gehört und gelesen, dass der Tagliamento in seinem Unterlauf, zwischen Pinzano und Spilimbergo, ein geradezu sagenhaftes Offroad-Revier sein soll. Das schrie geradezu danach, der Sache in der Realität auf den Zahn zu fühlen.

 

Camping im Flussbett war als Unterbringungsart angesagt, also wurde neben dem sonstigen Gepäck die dafür nötige Ausrüstung in und auf unserem Patrol verstaut.
Die Hinfahrt haben wir auf zwei Tage verteilt; von uns aus sind es bis in die Ebene von Udine rund 700 Kilometer. Das Abenteuer begann für unsere Kinder dennoch schon in der ersten Nacht – zum ersten Mal unter freiem Himmel, unterm Sternenzelt schlafen!
Am Folgetag kamen wir erst mit sinkender Sonne in Spilimbergo an und mussten nun das Camp der Freunde ausfindig machen, mit denen wir uns verabredet hatten und die schon früher angereist waren. So kam es letztlich nach einem Handy-Hilferuf dazu, dass wir in tiefdunkler Nacht im Verband mit einem Suzuki und zwei Quads beinahe im Rallyetempo durch den Kies und den Sand des trockenen Flussbetts donnerten. (Vor allem meiner Frau kamen dabei die berüchtigten, autoverschlingenden Untiefen des Tagliamento gänsehauterzeugend in den Sinn...) Wohlbehalten, aber aufgeregt erreichten wir letztendlich das Camp, wo wir nach Zeltaufbau erschöpft auf die Matten fielen.
Am folgenden Morgen sahen wir dann zum ersten Mal, in welch schöne Ecke es uns verschlagen hatte. Das Camp befand sich auf einer locker bewaldeten „Insel“ und bot einen hervorragenden Ausgangspunkt für Touren im Flussbett.

 

Und – allen Unkenrufen zum Trotz, wegen der langen Dürre und großen Hitze werde wohl kein Wasser vorhanden sein - direkt vor dem Zelt (15 Meter werden es gewesen sein) strömte der Fluss vorbei, was vor allem für die Kinder, aber auch für uns, an diesen heißen Augusttagen zu einer der Attraktionen werden sollte – war es einem zu warm, hüpfte er eben mal schnell ins Wasser. Herrlich!

 

Fahrerisch ist in diesem Gebiet fast alles geboten, was das Offroader-Herz sich nur wünschen kann. Steilauf- und -abfahrten, Schrägfahrten, Verschränkungspassagen, Wasserdurchfahrten, wechselnde Untergründe zwischen grobem, kindskopfgroßem Kies bis hin zu Weichsand.

 

Bei den Wasserdurchfahrten ist allerdings Vorsicht und ein gutes Auge geboten – während der dreieinhalb Tage, die wir dort verbracht haben, haben wir selbst drei Bergungsaktionen miterlebt, bei denen die Fahrer allzu optimistisch gewesen waren.

 

Der beim Fahren starke Vibrationen verursachende Untergrund geht auch aufs Material. So hatten sich bei unserem Patrol am zweiten Tag am linken Hinterrad die Radschrauben losvibriert, so dass er (glücklicherweise bei Kriechtempo und in Campnähe) das Rad einfach abwarf. Außer einem verbogenen und letztlich abgerissenen Stehbolzen entstand dadurch kein Schaden – aber für einen gehörigen Schrecken hat es allemal gereicht.

 

Für uns alle waren es einige herrliche Urlaubstage, und nächstes Jahr wird es uns wieder dorthin ziehen.

 

Noch ein paar Tipps:
Lebensmittel- und Getränkevorräte können in Spilimbergo in verschiedenen Supermärkten problemlos aufgefüllt werden. Ebenso sind diverse Tankstellen vorhanden. Wer nicht campen kann (oder will), findet dort auch ohne Probleme gastliche Unterkunft. Damit wäre für mich aber schon der halbe Reiz flöten...
Selbstverständlich gibt es Mücken. Autan kann aber getrost zuhause bleiben – aus eigener leidvoller Erfahrung können wir berichten, dass das Zeug den Viechern erst richtig zeigt, wo sie hinstechen sollen.
Eine Kühlbox ist fast schon Pflichtausstattung; nicht nur der Getränke wegen, sondern auch, um abends mal etwas Frisches auf den Grill oder in die Salatschüssel werfen zu können.
 
Und – auch auf die Gefahr hin, als Moralist zu erscheinen:

1.       Rücksicht nehmen! Es ist nicht unbedingt nötig, nachts um halb zwei volle Kanne durchs Flussbett zu heizen. Man nervt dabei nicht nur die, die schlafen wollen, sondern riskiert auch wesentlich mehr als am Tage. Direkt vor unserem Zelt spielte sich eines Nachts eine völlig überflüssige, dafür aber sehr lautstarke Bergungsaktion ab...

2.       Vorsichtig und vorausschauend fahren! Es sind, wie unsere eigenen Beobachtungen zeigen, nicht nur Geschichten, die über den autoverschlingenden Tagliamento erzählt werden. Es ist kein Zeichen von Schwäche, im Zweifelsfall die angedachte Passage erst einmal zu durchwaten. Und wenn man mit dem Allradler auf eigener Achse wieder heim will, ist etwas langsamer fahren kein Fehler. Das Material wird’s danken!

3.       Allen Müll mitnehmen und vernünftig entsorgen! Es tummeln sich mittlerweile viele im Tagliamento – so viele, dass vielleicht schon geringe Vorwände für die italienischen Behörden ausreichend sein könnten, dieses herrliche Revier zu sperren.

4.       Nur mit zugelassenen und / oder ausreichend versicherten Fahrzeugen fahren! Während unseres Aufenthalts hatte ein Minderjähriger (!) ohne Führerschein (!) mit einem geliehenen (!), nicht zugelassenen (!) und nicht versicherten (!) Quad einen Unfall auf einer öffentlichen Straße (!), glücklicherweise ohne Fremdbeteiligung. Bei so viel Leichtsinn und Dreistigkeit verstehen auch Italiener keinen Spaß mehr.

 
 
Text: Martin Reck
Fotos: Felicitas + Martin Reck
 
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